05.10. - 02.11.2023

Olga Urbanek
"Dreamscapes Contours" - Fotografien

Dreamscapes Contours

„Dreamscapes contours“ ist eine Ausstellung der polnischen Fotografin Olga Urbanek, die derzeit in Berlin lebt und arbeitet. Ihre Fotografien kombinieren ätherische Landschaften, rätselhafte menschliche Figuren und leuchtende Farbtupfer zu einem visuellen Wandteppich, der den Betrachter einlädt, die Grenzen zwischen Realität und Träumen zu erkunden. Indem sie Gesichter verbirgt und Raum für Interpretationen lässt, schafft die Künstlerin eine Erzählung voller Kontraste – fröhliche Töne mischen sich mit Melancholie und Introspektion.

Der abgewandte Blick

Eine Frau in einer Hängematte. Spot auf den entblößten Oberkörper und den überstreckten Hals, die Kinnlinie ist scharf vor dem verschwimmenden Untergrund zu sehen, vom Kopf noch ein wenig dunkles Haar, das Gesicht schaut nach schräg unten, weg vom Betrachter, dessen Blick über die skulpturalen Beine in die Körpermitte gelenkt wird, zum Ort der Empfängnis. So klar und ästhetisch unantastbar wirkt diese Körpergeometrie, dass fast kein erotischer Reiz von ihr ausgeht, nur Zauber und Bewunderung. Eine ruhige, in Schönheit geronnene Welt außerhalb der Realität, man hält den Atem an, als befände man sich unter Wasser.

Fotografien wie diese zeichnen das Werk der polnischen Fotokünstlerin Olga Urbanek aus, die in Berlin lebt, und sich nur ungern in Ländergrenzen verorten lassen mag. Geboren ist sie 1987 nahe Warschau, in der polnischen Hauptstadt aufgewachsen, studierte sie Kunstgeschichte an der Cardinal Stefan Wyszyński Universität in Warschau und Film- und TV-Produktion an der Warsaw Academy of Film and TV. Zur Fotografie kam sie in ihren späten 20-ern, als sie sich entschloss, eine Stelle in Island anzunehmen. Sie hatte damals zwei Wochen Zeit sich zu entscheiden und ihre Sachen zu packen. Aus dem Island-Aufenthalt wurden dann viereinhalb Jahre, und seither hat sie nicht wieder in Polen gelebt. Damals gab es für sie einen persönlichen Grund, alles in ihrem Leben zu hinterfragen und je extremer die Änderung war, die sich ergab, umso wirksamer war der künstlerische Impuls. Island weckte ihre visuelle Wahrnehmung, die unermesslichen Landschaften, geformt von Naturgewalten und das surreale Licht reizten sie und so entstanden ihre ersten Fotografien, bei denen sie fühlte, dass sie eine Basis sein könnten. Ihre Landschaften waren von der Poesie der Unwirklichkeit durchzogen, abstrakte Orte in surrealem Licht. Später entdeckte sie ihre Liebe zu starken Farben, dann fotografierte sie Menschen und dann kam der Moment, wo sich alles zusammenfügte.

Was zeichnet sie aus? Als Künstlerin arbeitet sie mit dem Motiv des Körpers, den sie als Teil der Natur oder im Kontrast zur Natur auffasst. Ihre Landschaften sind Traumsequenzen, in denen der menschliche Körper als Fremdkörper wahrgenommen wird. Die Figuren treten dem Betrachter mit abgewandtem Gesicht entgegen, in einer Versunkenheit in sich selbst. Meist ist nur eine Person auf den Bildern zu sehen, oft ist es die Künstlerin selbst, sie agiert als ihr eigenes Modell. Olga Urbaneks Bilder fragen nach der Perspektive der Fotografin. Wie ist die Subjekt-Objekt-Beziehung im klassischen Verhältnis zwischen Künstler und Modell hier aufgelöst. Wer ist hier Künstler, wer Muse und wer Betrachter? Wer schöpft, wer inspiriert und wer schaut hin? Häufig inszeniert sie sich selbst in allen Rollen, doch der abgewandte Blick fordert uns heraus.

Die Selbstinszenierung sei durchaus nicht programmatisch, betont Olga Urbanek, sie spielt einfach gern. Mit Utensilien, mit der Umgebung, dem Licht. Und sie würde nie wagen, von Modells Posen zu verlangen, die sie selbst für ihre Bilder einnimmt.

Sie ist erfolgreich mit ihrer stilistischen Flexibilität, der Eleganz und Unergründlichkeit ihrer Bilder und den poetischen Rätsels um klassische Mythen der Kunstgeschichte, die sie fotografisch überschreibt. Hier Atlas als Frau, die Weltkugel zu Füßen. Dort Bathseba im Bade, das Feigenblatt in der Mitte des Pools.

Während ihres letzten Residenzprogramms in Mexiko entwickelte sie ihre künstlerische Aussage zu einer Schärfe und Präzision, die spielerisch wirkt, aber frösteln lässt. Nun sind einige der dort entstandenen Bilder in der Ausstellung „Dreamscapes Contours“ in der Galerie Beyond.Reality. zu sehen.

Steffi Memmert-Lunau,   August 2023