09.08.2024 - 30.08.2024
Öffnungszeiten: Mi – Fr 13 – 18 Uhr, und nach Vereinbarung.
Catrin Wechler
Wohin wir gehen
Die Reihe überraschender Positionen in der Galerie Beyond.Reality. setzt die Fotokünstlerin Catrin Wechler fort. Die ausgestellten Fotoarbeiten aus den Serien Pflanzenporträts, Wohin, Unterwegs und Muschelplatz sind stark von Grafik und Malerei beeinflusst und entfalten eine suggestive Wirkung.
Catrin Wechler wurde in Dresden geboren und wuchs dort auf, ein biographischer Umstand, der ihr Sehen und ihre Wahrnehmung geprägt hat. Der oft beschworene Genius loci der Barockstadt, ihre Kunstgeschichte, aktiviert metaphysische Fragen, wie sie auch in der Fotokunst von Catrin Wechler gestellt werden, Fragen nach Inszenierung und Vergänglichkeit und nach dem Unerklärlichen hinter der sichtbaren Welt.
Nach einer Lehre als Buchbinderin, die ihrer Affinität zu Material und der haptischen Welt entgegenkam, nahm sie ein Studium der Buchgestaltung an der Burg Giebichenstein in Halle auf und setzte ihre künstlerische Ausbildung in Malerei und im Freien Kunststudium in Frankfurt /Main und Kassel fort. In Kassel gelangte zunehmend die Fotografie in den Fokus. Ihren fotografischen Bildern liegt eine Zeitlosigkeit inne, die während der Corona-Jahre eindringlich aktuell wurde, davon zeugen zahlreiche Ausstellungen in Berlin.
Es sind konkrete Orte und Situationen, die sie mit der Kamera festhält und durch ihre perfekte Montagetechnik mit Bedeutung auflädt, alltägliche Begebenheiten und dennoch extreme Bilder. Extrem in ihrer Klarheit und durchdringenden Helle. Die Künstlerin wartet nicht auf den Moment, er begegnet ihr, ein Augenblick situativer Wahrnehmung. Bei den Bildern aus der Serie Wohin war das die nötige Menge Wasser für die Spiegelungen, genau so viel, dass die Oberfläche makellos blieb. Dazu das Licht aus dem richtigen Winkel. Es sind berührende Bilder: Menschen, einzeln, schauen in die Ferne. Sie befinden sich in einer gewissen Ordnung zueinander, sie schauen alle in die gleiche Richtung. Die Ordnung wirkt nicht willkürlich oder bedrohlich, im Gegenteil. Aber was sehen sie? Und wie lange werden sie bleiben?
Catrin Wechler sagt von sich, sie wolle kleine Geschichten erzählen, keine großen. Ihre Pflanzenbilder stellen Objekte dar, die sie nicht sucht, sondern in der Umgebung findet. Sechs Arbeiten aus der großen Serie Pflanzen sind zu sehen, Pflanzenporträts im Zustand zwischen Blüte und Vergehen, fragil und skulptural, in den Farben alter Renaissancezeichnungen. Nature morte im Wortsinn, Bilder eines formvollendeten Auflösungsprozesses. Sie findet das so vor, sagt Catrin Wechler, oft fotografiert sie draußen, am Fundort, bei Tageslicht. Die starke Symbolik ist bereits im Moment des Sehens erfasst.
Muster und Zusammenhänge zwischen Menschengruppen sind auch Gegenstand der Serie Unterwegs. Menschen auf Rolltreppen von oben aufgenommen, scheinbar bezugslos zueinander und doch am gleichen Ort. Bewegung und Starre, Vergänglichkeit und Geheimnis, Erwartung und Struktur in einer ganz banalen Situation, die Künstlerin richtet den Raum neu aus und setzt ihn wieder zusammen. Ähnliches geschieht bei der Arbeit Muschelplatz. Der malerische Aspekt ist besonders ausgeprägt, allein der Nuancenreichtum des Grundtons beeindruckt. Der geografische Topos wird zum symbolischen Raum mit Ewigkeitsanspruch.
Die Arbeiten von Catrin Wechler sind ruhig und transportieren dennoch den Zeitgeist. Etwas, das uns alle angeht. Wir befinden uns gemeinsam in einem unbegrenzten Raum, wir teilen eine Daseins-Erfahrung, ohne zu wissen, was in den anderen vorgeht.
Text: Steffi Memmert-Lunau