07.03.2024 - 12.04.2024

"EXPRESSIV!"
Fotografien von Alexander Platz

Öffnungszeiten: Mi – Fr  13 – 18 Uhr, und nach Vereinbarung.

Emotionen: Glück, Trauer, Triumpf, Zweifel, Abneigung. Im expressionistischen Stummfilm der 1920er Jahre konnten Gefühle nicht mit Worten ausgedrückt werden, sie mussten bildhaft gezeigt werden. Die Schauspieler mussten ihre Gefühle in ausdrucksstarker Mimik und Gestik darstellen. Wo das frühe Filmmaterial schlecht differenzieren konnte, wurde mit Schminke nachgeholfen: Die Augenpartien oft dunkel, die Wangen mal voll und mal hohl, und der Mund scharf konturiert. Stark von der expressionistischen Malerei beeinflusste, grotesk verzerrte Kulissen mit stürzenden Linien und kontrastreiche Licht- und Schatteneffekte unterstützten die Gefühlsebenen der Handlung1.
Alles war Ausdruck, expressiv!

In den Fotografien von Alexander Platz begegnet uns diese Bildsprache wieder. Auch hier sehen wir die wortlos-expressive Darstellung von Emotionen durch Mimik und Gestik, auch hier unterstützen abstrakt-expressionistisch gemalte Hintergründe, starke Lichtkontraste und die fantasievoll-inspirierende Garderobe die Wirkung.

Tatsächlich erinnert die Arbeitsweise von Alexander Platz eher an das Drehen einer (Stumm-) Filmsequenz als an klassische Studiofotografie.

Fotograf und Modell, die sich ausreichend Zeit für ein persönliches Kennenlernen genommen haben, besprechen und entwickeln zunächst gemeinsam die Projektidee des Fotografen: Das Thema, die Geschichte, die beabsichtigte Stimmung in den Bildern und die hierzu erforderlichen Hilfsmittel und Requisiten. Alexander Platz hat bereits die Kleidung zum Thema ausgewählt. Häufig sind es mit starken Emotionen verbundene Stücke, z.B. second-hand Hochzeitskleider, die er durch einen „Upcycling“ Prozess, wie Reißen, Zusammenfügen, Färben oder Bemalen, emotional noch weiter aufgeladen hat. Auch asiatische Versatzstücke wie Kimono und Elemente des Shibari finden Verwendung.

Musik ist ein wichtiges Element bei den Sessions. Sie unterstützt die Atmosphäre im Raum, die fließende Bewegung des Modells, das wortlos nach den Rhythmen agiert. Fotograf und Modell verschmelzen zu einer sich gegenseitig emotional verstärkenden Einheit: Das Modell ist Darstellerin einer fiktiven Geschichte, Alexander Platz folgt ihr und fotografiert. Mit seinen Worten ausgedrückt: „Wir vermischen unsere Geschichten, Emotionen und Ideen. Während des Fotografierens folgen wir unserer gemeinsamen Partitur. Es ist eine Art emotionaler Tanz  …  Die Frauen sind in diesen Projekten eher Darstellerinnen als klassische Modelle  …  Diese dunkle besondere Schönheit, die ich mag, fußt immer wieder auf der Persönlichkeit, dem Talent und dem Umgang mit den eigenen Konflikten, Fantasien oder Träumen der jeweiligen Frau.“

Die nachfolgende Bearbeitung der entstanden Fotografien ist ein ebenbürtiger Bestandteil in der Entstehung der Kunstwerke von Alexander Platz. Auch hier spielt wieder Musik eine wichtige Rolle: „Die Postproduktion ist die Veredelung und Materialisierung meiner Geschichte. Ich höre Musik und folge meinen Emotionen.“

Alexander Platz, der vor Jahrzehnten als Polizist durch die emotionale Hölle ging und seither unter einer schweren posttraumatischen Störung leidet, schafft heute Bilder von großer Suggestionskraft. Sie sind „Meine emotionale Sicht der Welt. Sie berühren mich und stehen für meine Träume“. Und, das zu erwähnen ist ihm wichtig: Ganz ohne KI.

Die in der Ausstellung gezeigten Bilder sind so unterschiedlich wie die Geschichten, die Alexander Platz mit seinen Darstellerinnen erzählen will. Eines haben alle Bilder jedoch gemeinsam: Sie berühren durch ihre emotionale Dichte. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes: EXPRESSIV!

1 Ein schönes Beispiel ist der Film „Das Cabinet des Dr. Caligari“ von Robert Wiene aus dem Jahr 1920

Klaus Memmert, Januar 2024