30.06. - 28.07.2023

Dieter Matthes
"Bäume" - Fotografien

Öffnungszeiten: Mi – Fr  13 – 18 Uhr, und nach Vereinbarung.

Bäume
– vertikale Chiffren eines Horizonts
– barcodiertes Kunstwerk der Natur
(D. Matthes)

Ausstellung „Bäume“ — Dieter Matthes 

Was bedeutet uns der Wald? Heimat, Ort der Muße, Ort des Friedens? Loslassenkönnen. Seit Menschengedenken reich an Märchen und Mythen birgt der dunkle Wald Geheimnis, Einsamkeit und Gefahr; der Wald bei Tage spielt mit Sonnenlicht und Schatten im Flüstern uralter Baumkronen.

Die dem Wald gewidmete Photoserie von Dieter Matthes entstand auf Wanderungen durch den Berliner Grunewald zu unterschiedlichen Jahreszeiten. Seine einsamen Wanderungen schenken ihm Stunden der Stille und des inneren Zwiegespräches an einem Ort, den er als Symbol für das Leben und die Urschönheit der Natur empfindet.

Mittels einer speziellen Bewegung der Kamera verwandelt Matthes jedes Heer von Baumstämmen in flirrende Vertikalen. Der Wald wird zum „Material“ für einen abstrakten Entwurf der Natur. Ein romantisches Oeuvre wird zu einer neuen, autarken Illusion — eine Illusion, die in der Geste malerisch ist, im Motiv jenseits der Realität und doch von ihr gezeugt. In dieser Art der Auflösung und künstlerischen Verwandlung des realen Vorbilds nähert sich die Photographie der Malerei an. Was wir als „Bäume“ sehen, ja vielleicht oft übersehen, offenbart so völlig neue Materialeigenschaften, wird zu fluoreszierenden Vorhängen, vergoldetem Haar, zeigt Lichtbahnen die gen Himmel ziehen. All dies in einem Spektrum erdender Farben: Braun-, Rot- und Goldtöne, hier und da von etwas Grün, Blau oder Weiß durchbrochen.

Bei einigen Bildern denke ich an das schaudernde Gefühl des tiefen Falls im Traum, nur in Matthes’ Bildern ward es eingefroren. Geschwindigkeit, festgehalten in einem Augenblick der Begegnung mit Natur . Eine Meditation? Während das Werden der Natur Richtung Himmel strebt, verharrt hier alles in einer Harmonie zwischen Wurzel und Krone, wird zu Farblinien in jenem Hell-Dunkel-Spiel akzentuiert, das die dicht gewachsenen Wälder unserer ältesten Erinnerungen prägte.

Wie futuristische Codes liegen diese Wälder vor uns, ihre Stämme aufstrebend ohne sichtbares Ziel und der Horizont verstummt. Barcodes, „Signaturen des Unbewussten“ oder, wie der Photograph in seinem Buch notiert,„vertikale Chiffren eines Horizonts — barcodiertes Kunstwerk der Natur“? Könnte man Matthes’ Waldbildern ohne den Begriff des Waldes begegnen, würde sich ihr ganzes Potential zeigen: erfrischend, spielerisch und beyond reality.

Maria Wirth, Mai 2023