05.04.2023 - 05.05.2023
Saskia Barth
"jindi kah, jindi khrap"
Die Fremde(n) sehen
Saskia Barth hat auf einer Reise in Südostasien Menschen getroffen und Orte gefunden, die sich vor ihrer Kamera zu lose verflochtenen Bildnissen zusammenfügen. In Bangkok hat sie in den sogenannten „petits métiers“, – fliegende Händler, Marktverkäufer, Garküchen-betreiber , Gärtner – ein Gegenüber spontaner Begegnungen gefunden. Frauen und Männer haben sich ihr offen und freundlich einige Minuten zugewandt, Zeit für wenige Aufnahmen, bevor jede/r seines Wegs zog oder wieder der Arbeit nachging.
So sind aus flüchtigen Begegnungen konzentrierte Portraits entstanden, die über Sprach- und Zivilisationsbarrieren hinweg eine weitgehend wortlose und zugleich bildmächtige Kommunikation bezeugen. Die thailändische Begrüßungsformel, unterschiedlich je nach Sprechendem „jindi kah“ für Frauen bzw. „jindi khrap“ für Männer bezeichnet den Kreis der Portraitierten. Was Henri Cartier-Bresson zusammenfassend über seine Reportagen sagte – „Das wirklich Befriedigende für einen Photographen … ist Kommunikation.“ – , mag hier auch für Saskia Barth gelten: Sie schlägt mit ihren Bildern nicht nur eine Brücke zu ihrem unmittelbaren Gegenüber und führt mittels ihrer Aufnahmen ein wortloses Zwiegespräch, sondern etabliert darüber hinaus auch einen Blickwechsel zwischen Portraitierten und Betrachtenden, in dem die Willkommens-formel nachklingt. Dieser Austausch hebt sprachliche und kulturelle Barrieren, das Fremdsein an sich, auf und gibt menschlicher Gemein-samkeit den Vorrang.
Ihren Menschenbildern stellt die Fotografin Aufnahmen von Pflanzen in einem Lotusteich der weitläufigen Tempelanlagen von Ayutthaya, der alten thailändischen Königsstadt, zur Seite. Die Lotuspflanzen in verschiedenen Stadien des Verwelkens sind nicht nur Zeichen organischer Wachstums-zyklen, sondern mit ihren im Wasser gespiegelten Schatten auch zarte grafische Vexierbilder . Für Saskia Barth sind sie in Analogie zum menschlichen Leben zu sehen. Sie stehen mit ihren gebrochenen Linien und Verästelungen den Spuren des gelebten Lebens in den menschlichen Gesichtern gleichberechtigt gegenüber. Gleichzeitig verdeutlichen sie in einem übergeordneten Sinn das ästhetische Prinzip des japanischen Wabi-Sabi, das die Schönheit des Vergänglichen und Unvollkommenen höher stellt als die Perfektion.
Carolin Förster